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DokumenttypDocTypeRede | Datum16. Mai 2024Rede zur ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen im Deutschen Bundestag am 16. Mai 2024
Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, zur ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen im Deutschen Bundestag am 16. Mai 2024
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen! Liebe Zuschauer!
Kinderehen sind in vielen Teilen der Welt traurige Realität. Opfer sind vor allem Mädchen, insbesondere dann, wenn sie mit erheblich älteren Männern verheiratet werden. Das Kinderhilfswerk UNICEF schätzt, dass jedes Jahr 12 Millionen Mädchen verheiratet werden, obwohl sie noch keine 18 Jahre alt sind. Vor diesem Hintergrund möchte ich betonen: Kinderehen verstoßen gegen unsere liberale Werteordnung. Wir akzeptieren sie in unserer Gesellschaft nicht.
Wir wollen nicht, dass Minderjährige verheiratet werden und so vielfach um ihre Selbstbestimmung, um ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, um ihre Chancen im Leben gebracht werden. Dieser Gesetzentwurf ist auch ein Zeichen der Ächtung dieses Unrechts, liebe Kolleginnen und Kollegen.
2017 hatte der Deutsche Bundestag ein Gesetz der Koalitionsfraktionen verabschiedet, nach dem Ehen mit mindestens einem Partner unter 16 Jahren in Deutschland unwirksam sind. Das bleibt auch weiterhin so. Doch die damalige Koalition hatte keine flankierenden Schutzvorschriften für die betroffenen Minderjährigen getroffen; denn natürlich hat es gravierende Folgen für sie, wenn ihre Ehe von einem Moment auf den anderen nicht mehr als Ehe gilt. Die Unwirksamkeit der Ehe kann etwa zur Folge haben, dass eine Frau nach Jahren des Zusammenlebens plötzlich rechtlos dasteht, insbesondere mit Blick auf ihre Unterhaltsansprüche. Das ist einer der Gründe, warum das Bundesverfassungsgericht das Gesetz mit Beschluss vom 1. Februar 2023 für verfassungswidrig erklärt hat und dem Gesetzgeber aufgab, eine Neuregelung zu treffen. Zu regeln sind unter anderem Unterhaltsansprüche wie auch eine Heilungsmöglichkeit.
Was also ändern wir genau mit dem vorliegenden Gesetzentwurf? Ist eine Ehe nach deutschem Recht unwirksam, weil mindestens ein Ehegatte unter 16 Jahre alt ist, soll der minderjährige Partner - das ist im Regelfall das Mädchen oder die junge Frau - trotzdem Unterhaltsansprüche gegen den Partner geltend machen können. Hier sollen künftig die gesetzlichen Vorschriften über eheliche und nacheheliche Unterhaltsansprüche anwendbar sein.
Wir lösen darüber hinaus ein weiteres Problem - auch darauf hat das Bundesverfassungsgericht bestanden -: Wenn die Eheleute volljährig sind, müssen sie sich entscheiden können, ob sie die Unwirksamkeit ihrer Ehe heilen wollen. Natürlich könnten sie einfach heiraten, könnte man sagen, aber das hätte keine Rückwirkung zur Folge und wäre in vielen Fällen praktisch auch gar nicht einfach. So braucht das Paar bisher etwa ein Ehefähigkeitszeugnis des Herkunftsstaates; aber das zu erlangen ist schwierig, wenn nach dem Recht des Herkunftsstaates schon eine Ehe geschlossen worden ist. Deshalb werden wir das Gesetz wie folgt ergänzen: Wollen minderjährig Verheiratete als Erwachsene ihre Ehe fortsetzen, müssen sie erneut heiraten. Dabei wird auf das Ehefähigkeitszeugnis verzichtet, und zudem wird die Ehe zurückdatiert. Das heißt, heiratet das Paar in Deutschland erneut, wird die bis dahin unwirksame Auslandsehe rückwirkend wirksam.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Entwurf orientieren wir uns sehr eng an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Hier tut Eile not. Es hat uns bis zum 30. Juni Zeit gegeben, seine Entscheidung umzusetzen. Sollte die fristgemäße Umsetzung scheitern, würde dies ab 1. Juli eine Rückkehr zur Rechtslage vor 2017 bedeuten. Das wäre natürlich ein großes Problem für die Betroffenen. Wir sollten hier keine Situation verursachen, in der es ein Hin und Her gibt.
Eines steht fest und wird durch diesen Gesetzentwurf noch einmal deutlich: Wir lehnen Kinderehen strikt ab. Daran kann auch künftig kein Zweifel bestehen. Ich bin davon überzeugt, dass diesbezüglich hier im Haus ein großer Konsens besteht, und hoffe daher auf sachliche, konstruktive und auch auf zügige Beratungen.
Herzlichen Dank.