- Startseite
- Presse
- Reden, Interviews und Gastbeiträge
- 30 Jahre Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit (IRZ)
DokumenttypDocTypeRede | Datum07. Dezember 202230 Jahre Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit (IRZ)
Rede des Bundesministers Dr. Marco Buschmann MdB beim Festakt 30 Jahre IRZ am 6. Dezember 2022 im BMJ in Berlin
Wenn mein hochgeschätzter Amtsvorgänger Klaus Kinkel die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit nicht bereits vor 30 Jahren gegründet hätte, dann müssten wir es heute tun.
Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren:
Internationale rechtliche Zusammenarbeit ist Entwicklungszusammenarbeit mit dem Leitbild der liberalen Demokratie!
Die liberale Demokratie aber steht heute weltweit unter Druck.
Daraus folgt:
Wir brauchen mehr von dieser Entwicklungszusammenarbeit und gerade deshalb ist die IRZ heute wichtiger als jemals zuvor!
Ich weiß auch nicht erst seit ich Justizminister bin, was für eine großartige Arbeit die IRZ leistet.
Ich war schon als Rechtspolitiker meiner Bundestagsfraktion zwischen 2010 und 2013 Mitglied in diesem Förderverein der internationalen Rechtsstaatlichkeit!
Damals begann die IRZ auf Initiative der damaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nach dem arabischen Frühling ihre Beratungstätigkeit in Tunesien. Die IRZ war eine der ersten Institutionen, die noch im Jahr 2011 den tunesischen Partnern Unterstützung bei der Transformation anbieten konnten. Und daran sieht man: Die IRZ ist nicht nur hochkompetent, in dem was sie tut – sondern sie ist auch sehr schnell!
Ich erinnere mich gut, wie ich mit Dirk Mirow, damals Geschäftsführer der IRZ, heute Unterabteilungsleiter in der Strafrechtsabteilung hier im Haus, und gemeinsam mit den Haushaltspolitikern und dem BMJ mehr Geld für diese neuen Aktivitäten in Nordafrika – wie man so schön sagt – lockergemacht habe, denn ohne Geld kann man in diesen Bereichen natürlich nicht so viel bewegen.
Und das war gut investiertes Geld. Denn bei allen Herausforderungen und allen Schwierigkeiten, die wir heute in der Region sehen, hat Tunesien wegen seines Reformweges seit 2011 doch bessere Voraussetzungen als viele andere Länder in der Region, und dazu hat auch die gute Arbeit der IRZ beigetragen.
Die IRZ fördert rechtsstaatliche und demokratische Strukturen in Ihren Partnerstaaten. Das bedeutet: Sie tun das in Staaten, die das wollen – Sie helfen also, Recht und Freiheit in der Welt zu verbreiten, nicht indem Sie Menschen etwas aufdrängen, was diese nicht wollen, sondern indem Sie Partner sind, Partner für andere Staaten, mit denen wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten wollen.
Sie unterstützen ihre Partnerländer bei der Formulierung und Implementierung von Gesetzen und Regelwerken. Sie helfen beim Aufbau von Gerichten und Behörden und sie tragen zur Aus- und Fortbildung von Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern bei.
Sie tun das bei den EU-Beitrittskandidaten und den potentiellen Beitrittskandidaten des westlichen Balkans – aber auch weit über den Kreis dieser Staaten hinaus.
Es ist angesichts der dramatischen Entwicklungen dieses ausgehenden Jahres schon etwas aus dem Blick geraten; ich will es aber noch einmal betonen:
Gerade in den Jahren der Pandemie hat die Arbeit der IRZ in den Partnerstaaten dafür gesorgt, die Lage zu stabilisieren.
Denn wirtschaftliche Not und gesellschaftliche Verunsicherung gefährden oft auch Freiheit und Rechtsstaat. Und sie lassen die Bereitschaft zu Reformen sinken. Das ist nicht nur in anderen Ländern so, da müssen auch wir uns als Deutsche immer wieder an die eigene Nase fassen.
Deshalb gilt: Die von der IRZ geleistete juristische Entwicklungszusammenarbeit ist gesamtgesellschaftliche Entwicklungszusammenarbeit – orientiert am Leitbild der liberalen Demokratie.
Ihr Engagement galt zu Beginn den damals neuen Partnerstaaten in der unmittelbaren Nachbarschaft der Europäischen Union. Über die letzten Jahrzehnte haben Sie erfolgreich einige dieser Staaten auf ihrem Weg in die EU begleitet.
Mittlerweile sind viele Partnerstaaten im Nahen Osten, in Afrika und Asien hinzugekommen.
Dabei hat sich die IRZ den guten Ruf erworben, Traditionen und Kulturen ihrer Partner zu achten und mit großer Sensibilität in jeden neuen Dialog einzutreten.
Die Art und Weise, wie sich die IRZ ihrer Aufgaben seit ihrer Gründung angenommen hat, ist für das Bundesministerium der Justiz, für die gesamte Bundesregierung, für unser Land und für die internationale Staatengemeinschaft von größtem Wert.
Und ich will Ihnen, den Beschäftigten, den zahlreichen Expertinnen und Experten der IRZ und den Ortskräften in den Partnerstaaten an dieser Stelle und zum 30. Geburtstag den Dank unseres gesamten Landes mit allem Nachdruck aussprechen!
Herzlichen Dank für Ihre wichtige Arbeit im Dienste von Rechtsstaat und Demokratie!
Ich will an dieser Stelle auch etwas erwähnen, das viele vielleicht nicht sofort vor Augen haben, aber auch das gehört zur Erinnerung dazu.
Auch die Russische Föderation war bis zum 24. Februar dieses Jahres viele Jahre Partnerstaat der IRZ. Die russische Seite wollte es; russische Amtsträgerinnen und Amtsträger wollten lernen; russische Stellen wollten sich beim Aufbau rechtlicher Strukturen beraten lassen.
Ich sage das nicht, um irgendetwas zu relativieren, sondern weil wir für die Zukunft bereit bleiben müssen. Ja, in Russland wird in einer Weise regiert, die nichts, aber auch gar nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat. Aber auch in Russland ist die Sache des Rechts nicht verloren. Es verbietet sich immer, Verhältnisse in der Zeit für betoniert zu halten. Es gibt ein anderes Russland – auch gegenwärtig, auch jetzt im Krieg, und auch gegen diesen Krieg. Und es wird ein anderes Russland geben. Die Vision eines demokratischen Russlands ist nicht naive Illusion. Dem Autoritarismus gehört nicht die Zukunft. Unsere Gedanken sind bei den Menschen, die gerade in diesen Wochen mutig aufbegehren und sich nach Recht und Freiheit sehnen – in Russland, im Iran, in China und überall sonst auf der Welt, wo Menschen gerade ihr Leben riskieren im Dienste von Recht und Demokratie.
Wir hoffen, dass wir in der Zukunft das Recht mit einem anderen Russland durchsetzen können.
Heute aber müssen wir, muss die freie Welt, ja, ich muss es so sagen, die zivilisierte Welt das Recht gegen Russland durchsetzen – anlässlich eines Krieges, der das Recht mit Füßen tritt. Nicht nur weil es diesen Krieg überhaupt gibt, sondern weil er in einer Art und Weise geführt wird, die man nicht anders nennen kann als verbrecherisch, ich möchte sogar sagen: barbarisch. Wer es gezielt darauf anlegt, dass Menschen in einem Winter, der minus 30 Grad kalt werden kann, in ihren Wohnungen sitzen, ohne Strom, ohne Heizung, dass dort Frauen, Kinder, alte Menschen oder überhaupt Menschen unter diesen Bedingungen dahinvegetieren und ihrem Ende näherkommen, meine Damen und Herren, der handelt barbarisch, der begeht ein Verbrechen, und das muss immer und immer wieder überall auf der Welt klar ausgesprochen werden!
Recht darf aber nicht nur auf dem Papier stehen, es darf auch nicht nur bei Absichtserklärungen bleiben und deshalb haben wir gerade vor einer Woche als G7-Justizminister hier in Berlin getagt. Es war ein historisches Treffen: Es war das erste Mal in der Geschichte, dass die Justizminister der G7-Staaten in diesem Format zusammengekommen sind.
Auch diese Zusammenkunft hat gezeigt: Die freie Welt ist einig wie nie gegen den verbrecherischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Die in der Ukraine begangenen Verbrechen treffen natürlich am Schlimmsten die Menschen vor Ort. Aber die fortgesetzten Kriegsverbrechen sind auch ein Verbrechen gegen die Menschheit an sich.
Sie dürfen nicht straflos bleiben. Das wäre eine historische Niederlage für das Völkerrecht und eine neue Demütigung der Opfer. Und dafür zu arbeiten, dass das nicht passiert, ist die Aufgabe der zivilisierten und der freien Welt. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um uns besser zu organisieren, uns abzustimmen, uns gegenseitig zu helfen. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht straflos bleiben. Das ist unserer Aufgabe, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Und das ist nicht nur eine Aufgabe der Waffen, es ist auch eine Aufgabe des Rechts, und das Recht arbeitet. Beispiellose Ermittlungen sind im Gange. Das Völkerrecht steht eben nicht nur auf dem Papier.
Wir haben als G7-Justizminister Verabredungen getroffen, wie wir gemeinsam das Recht durchsetzen, wie wir unsere Ermittlungen bestmöglich koordinieren, wie wir zu Anklagen kommen und dann auch zu Verurteilungen.
Mein ukrainischer Amtskollege Denis Malyuska war vor einer Woche dabei. Das war für mich selbstverständlich, denn wir können nicht über die Ukraine sprechen, ohne dass die Ukraine selber am Tisch sitzt. Die aktuellen Angriffe Russlands lassen es leider nicht zu, dass er heute bei uns ist, was er gern gewesen wäre. Ich glaube, wir haben alle Verständnis dafür, dass die Mitglieder der Regierung eines Landes, das unter so schweren Angriffen zu leiden hat, in ihrem Land bleiben. Wir möchten ihn, glaube ich, im Namen aller hier Anwesenden grüßen und wir drücken unseren tiefen Respekt aus vor dem Mut und der Kraft und der Tapferkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer, die gegen einen zahlenmäßig so stark überlegenen Gegner auf so bewundernswerte Weise ihr eigenes Land verteidigen.
Sie als IRZ haben auch der Ukraine in diesen 30 Jahren geholfen, rechtsstaatliche Strukturen zu entwickeln und zu stärken. Sie haben so das Land darin bestärkt, und es mit in die Lage versetzt, eine liberale Demokratie zu werden.
Die IRZ hat geholfen, dass die Ukraine ein Dorn im Auge des Autokraten wurde!
Ihre Stabilisierungsmission nach dem Euromaidan ist erfolgreich gewesen.
Ihre letzte Rechtsberatung in der Ukraine, zur Korruptionsbekämpfung, fand ja tatsächlich, es klingt unglaublich, am 23. Februar statt, einen Tag vor dem verbrecherischen Überfall!
Ich will an dieser Stelle die Familie einer langjährigen Ortskraft der IRZ in der Ukraine begrüßen.
Gennadii Ryzhkov kämpft heute in der Armee seines Landes – seine Frau, seine Tochter, sein Enkel sind hier; die große IRZ-Familie in Deutschland hat sie nach dem Kriegsausbruch aufgenommen.
Herzlich willkommen Ihnen – und ich will Ihnen unseren tiefen Dank aussprechen und unsere besten Wünsche für Sie und für Ihren Mann, Vater und Großvater!
Meine Damen und Herren, das neue Arbeitsprogramm mit dem ukrainischen Justizministerium war im Februar ausverhandelt – und ich sollte die Vereinbarung im März in Kiew zeichnen.
Gerade Anfang November habe ich das in Kiew mit Denis Malyuska nachholen können
Die Ukraine ist Teil der europäischen Familie. Sie gehört zu Europa. Deshalb hat der Europäische Rat der Ukraine im Juni den Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen.
Für den Weg zum Beitritt braucht es jetzt weiter unsere Unterstützung.
Und die werden wir leisten!
Das gerade unterzeichnete Programm umfasst Strafvollzug, Bewährung, Zwangsvollstreckung, Korruptionsbekämpfung, Alternative Streitbeilegung, Prozesskostenhilfe, Insolvenzrecht, internationales Zivilverfahrensrecht und vieles mehr. Sie sehen, es geht nicht nur um Kalendersprüche, sondern es geht um ganz konkrete Arbeit am praktischen Rechtsstaat.
Wir werden natürlich für all dies die IRZ brauchen!
Gerade jetzt ist es besonders dringlich, dass wir auch die Republik Moldau in ihrem neuen EU-Kandidatenstatus unterstützen. Genau das wird die IRZ tun.
Moldau ist durch Russland einem perfiden hybriden Krieg ausgesetzt, der das Land vom pro-europäischen Reformpfad abbringen soll. All diejenigen Kräfte, die dagegen ankämpfen und die sich weiter auf den Weg nach Europa machen wollen, haben nicht nur unsere Sympathie, sondern können sich auf die Unterstützung, die wir leisten können, auch verlassen.
Der verbrecherische russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die liberalen Demokratien Europas insgesamt auf vielen Feldern vor neue, und schwierige, Aufgaben gestellt.
Denn auch uns gilt ausdrücklich dieser Angriff.
Er gilt der Freiheit und der Selbstbestimmung überhaupt.
Es ist ein Krieg der Gewalt gegen das Recht.
Mit diesem Krieg ist vollends deutlich geworden: Wir befinden uns als liberale Demokratien in einem Systemwettbewerb mit dem Neoautoritarismus in der Welt.
Der Neoautoritarismus hält die liberalen Demokratien für schwach. Wir müssen und werden zeigen, dass er sich irrt.
In dieser Auseinandersetzung, meine Damen und Herren, müssen die liberalen Demokratien der Welt ein echtes Bündnis auf der Basis gemeinsamer Werte und mit dem Ziel der Stärke bilden. Demokratie, Marktwirtschaft, Menschenrechte und Rechtsstaat setzen sich eben nicht von selbst durch und deshalb müssen wir sie verteidigen.
Wir geben den Universalismus nicht auf: dass Freiheit, Demokratie und Menschenrechte allen Menschen und allen Gesellschaften ein besseres Leben ermöglichen und ihnen schlicht zustehen, bleibt unsere Überzeugung.
Wir müssen unsere freiheitliche Ordnung robust gegen den Neoautoritarismus verteidigen können. Und wir müssen Recht und Freiheit über viele Kanäle des Gesprächs und der Zusammenarbeit in den Gesellschaften verankern, die sich für sie öffnen – wie es die IRZ tut, der deshalb unser großer Dank gebührt.
In all den Schrecken dieses Jahres geben wir die Zuversicht nicht auf:
Die Freiheit hat den längeren Atem!
Die Freiheit weckt das Positive, das Konstruktive, das Beste in den Menschen.
Der Autoritarismus kann nur auf die Angst der Menschen setzen.
Angst aber macht unbeweglich.
Freiheit setzt in Bewegung.
Und die IRZ setzt Freiheit und Recht in Bewegung.
Herzlichen Glückwunsch IRZ zum 30. Geburtstag!