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DokumenttypDocTypeInterviewUndNamensartikel | Datum03. Juni 2023„Man sollte nicht zu ehrpusselig sein“

Interview von Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

Interviewer Justus Bender und Helene Bubrowski
Ausgabe Interview von Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung AusgabeNrVom

Die Ampelparteien haben sich im Heizungsstreit voneinander entfremdet. Justizminister Marco Buschmann von der FDP empfiehlt den Grünen, generell weniger zu jammern.

Herr Minister, müssen Sie manchmal schmunzeln, wenn Sie an den Koalitionsvertrag denken?

Nein, wieso? Das ist nach wie vor ein lesenswertes und gelungenes Dokument.

Es gibt da einen Satz über die Zusammenarbeit von SPD, Grünen und FDP, der lautet: "Wir wollen eine Kultur des Respekts befördern."

Ach, wissen Sie: So was schreibt man in bester Absicht auf und lebt das im Alltag, wo es geht - und trotzdem gibt es von dieser Regel immer wieder Ausnahmen, in denen dem einen oder anderen mal was durchgeht. Politik wird eben von Menschen gemacht, die leidenschaftlich für etwas streiten.

Ist der Streit über die schrittweise Abschaffung von Gasheizungen nur eine Meinungsverschiedenheit oder schon eine Regierungskrise?

Was wir gerade erleben, ist im Parlamentarismus der normalste Vorgang der Welt: Selbstbewusste Parlamentarier der Regierungsfraktionen wollen einen Regierungsentwurf verbessern. Wahrscheinlich wird man in ein paar Monaten darüber schmunzeln, dass versucht wurde, deswegen krisenartige Zustände herbeizuschreiben. Wobei ich gestehen muss, dass sich auch in der Politik einige daran beteiligen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann zweifelt an der "Handlungs- und Arbeitsfähigkeit" der Ampel. Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil beklagt "zu viel Streit". Haben Ihre Ampelkollegen da einen Punkt?

Ich schaue eher auf unsere Erfolge und die Lösung von Problemen, statt unsere Arbeit schlechtzureden. Wobei ich das den beiden Genannten auch nicht vorwerfen möchte. Mir ist wichtig: Wenn Millionen von Menschen die Sorge haben, dass ein Teil ihrer Lebensleistung, die in einem Reihenhäuschen oder einer Eigentumswohnung steckt, quasi en passant in Teilen entwertet wird, dann kann das keinen verantwortungsbewussten Politiker kaltlassen. Daher müssen wir das Gesetz ändern. Ich finde es nicht schlimm, wenn ein Gesetz mal ein paar Wochen länger braucht, wenn es dafür ein besseres Gesetz wird.

Ein Staatssekretär im grünen Wirtschaftsministerium sagte neulich: "Was wir in den letzten Tagen erlebt haben, so möchte ich nicht regieren." Sie machen einen fröhlicheren Eindruck.

Unser Auftrag ist zu regieren, nicht zu jammern. In einer Regierung erzielen wir gemeinsam Erfolge, und jeder muss mal Kompromisse eingehen. Sie werden sich erinnern: Die FDP hatte auch nicht nur schöne Wahlabende im letzten Jahr. Wir haben dann nicht die Ungerechtigkeit der Welt beklagt, sondern das zum Anlass genommen, noch härter und überzeugender zu arbeiten.

Die FDP hat dem Heizungsgesetz in seinen Grundzügen schon viermal zugestimmt: bei den Koalitionsverhandlungen, bei einem Koalitionsausschuss im vergangenen Jahr und einem im März und nun noch mal im Kabinett. Welche Strategie ist das, jetzt schon wieder zu bremsen?

Sie sagen es: in Grundzügen. Denn natürlich müssen wir im Gebäudesektor CO2 einsparen, hinter diesem Ziel stehen wir auch. Wir haben damals im Koalitionsausschuss eine Formulierung gewählt, die sinngemäß lautete "im Rahmen des Möglichen". Christian Lindner hat zur Befassung im Kabinett gesagt, dass es zwei Varianten gibt: Entweder wir verhandeln es jetzt im Detail in der Regierung, dann dauert es bis zum Kabinett länger. Oder wir geben es mit offenen Streitpunkten ins Parlament. Wir sind dann den zweiten Weg gegangen, und jetzt achten unsere Abgeordneten darauf, dass wir die Menschen nicht überfordern. Es gibt Bürger, die sind im hohen Rentenalter und haben ein bisschen Geld für den Notfall zur Seite gelegt. Da können wir nicht leichtfertig den Austausch einer Heizung ohne Rücksicht auf die finanzielle Belastung anordnen. Das unterscheidet eine parlamentarische Demokratie vom Autoritarismus, wo das Einzelschicksal angesichts eines politischen Ziels keine Bedeutung besitzt.

Dann ist es also autoritär, was Ihre grünen Koalitionspartner vorhaben?

Nein, ich habe keinen auf Personen oder Parteien bezogenen Vorwurf gemacht.

Sehen Sie Ihre Aufgabe darin, einen Teil der grünen Politik zu verhindern?

Ich will liberale Politik umsetzen. Dafür brauchen wir Partner zur Bildung der Regierung. Und es gibt in dieser Koalition unterschiedliche Philosophien. Wir haben mit den Grünen einen Koalitionspartner, der eine gewisse Affinität zum gesetzlichen Mikromanagement des täglichen Lebens hat. Das ist ja kein Staatsgeheimnis. Und es gibt unsere Philosophie, die globale Ziele formuliert und diese auf einem marktwirtschaftlichen Weg erreichen will, weil das dem Einzelnen möglichst große Entscheidungsräume lässt. Diese Philosophien haben nun in einer Koalition zusammengefunden. Da ist der Weg zur gemeinsamen Lösung manchmal eine Schleife länger.

Die Grünen sagen: Entweder die FDP gibt uns das Heizungsgesetz, oder sie bekommt kein Planungsbeschleunigungsgesetz. Wo soll das enden?

Man soll nicht alles so heiß essen, wie es gekocht wird. Ich bin optimistisch, dass die Planungsbeschleunigung bald kommen wird. Wir müssen ja schneller werden, wenn wir das Land erneuern wollen. Natürlich gibt es in den Parteien viele Anhänger, die eine große Erwartungshaltung an ihre Führung anlegen. Dass diese in der Öffentlichkeit dann auch mal lauter auftritt, um zu zeigen, dass sie sich anstrengt, gehört wohl zum Geschäft dazu. Ich sehe das mit einer gewissen professionellen Gelassenheit. Das betreiben alle Parteien zu einem gewissen Maß. Entscheidend ist, dass wir ein gutes Gesetz machen. Ein schlechtes Gesetz würde uns allen auf die Füße fallen.

Dass eine Partei aus unterschiedlichen Leuten besteht, ist ein gutes Stichwort. Die FDP hat sich in diesem Heizungsstreit bemerkenswert ungeordnet gezeigt. Erst stand in der "Bild"-Zeitung, es gebe einen Katalog mit 101 Fragen der FDP-Fraktion an das Wirtschaftsministerium. Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, es werde keine Beratungen geben, wenn die Fragen nicht beantwortet werden. Die FDP-Fraktion musste aber zugeben, gar keinen Fragenkatalog beschlossen zu haben. Das Wirtschaftsministerium erklärte, keine Fragen erhalten zu haben. Trotzdem tönten FDP-Politikerinnen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Fernsehen, man brauche nun Antworten. Erst danach wurden 77 statt 101 Fragen an das Ministerium geschickt, darunter zum Beispiel die Frage, wie viel Strom eine Wärmepumpe verbraucht. Was sollte das alles?

Unsere Abgeordneten haben natürlich Fragen zu diesem wichtigen Vorhaben. Das ist ja sehr berechtigt. In der Sache muss man unterscheiden: Zum einen gab es ein internes Arbeitsdokument auf der digitalen Arbeitsplattform der Fraktion. Dort konnte jeder Kollege beliebige Fragen einstellen. Das ist unbearbeitet an Medien gegangen, also durchgestochen worden, wie man in der Politik sagt. Aus dieser internen Rohfassung ist nach Überarbeitung durch die Fraktionsfachleute der endgültige Katalog erarbeitet worden. Den hat unsere Fraktionsführung an das Wirtschaftsministerium weitergegeben. Und wie ich höre, wird nun gemeinsam damit gearbeitet.

Das mit den Durchstechereien hat schon einmal für Aufsehen gesorgt, als der Entwurf des Heizungsgesetzes in einer ganz frühen Phase an die Öffentlichkeit gelangte. War das jemand aus der FDP?

Zu dem Zeitpunkt, als das in die Medien gelangte, hatten das nur wenige Häuser. Das Kanzleramt, das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium, die in dieser frühen Phase beteiligt waren. Ein solcher Entwurf geht aber durch die Hände Dutzender, unter Umständen gar Hunderter Beamter, die das bewerten. Ich halte es für müßig, zu spekulieren, wie das nach außen gedrungen ist.

Robert Habeck hat sich damals in klagendem Ton über die Durchstecherei beschwert. War das überzogen?

Ich persönlich möchte als Minister an Ergebnissen gemessen werden. Würde ich mich über alles beschweren, wo ich mich ungerecht behandelt fühle, wäre ich zwar arg beschäftigt, würde aber damit keine Ergebnisse fördern. Da sind die Menschen eben unterschiedlich. Politik hat meiner Meinung nach die Pflicht, Ergebnisse zu liefern. Das geht nur gemeinsam. Da sollte man auch mal tolerant und nicht zu ehrpusselig sein.

Robert Habeck ist also ehrpusselig?

Ich habe gesagt: Man sollte im Allgemeinen nicht zu ehrpusselig sein. Ich habe nicht gesagt, dass Robert Habeck ehrpusselig sei.

Manchmal gibt es sogar zwischen FDP-Ministern Meinungsverschiedenheiten.

Wann denn?

Sie haben neulich über die Klimakleber von der Letzten Generation gesagt: "Man sollte nicht diejenigen belohnen, denen das Strafrecht egal ist", die hätten keine "privilegierte Position" verdient. Kurze Zeit später traf der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing sich mit genau diesen Klimaklebern zu einem Gespräch. Hat Wissing also Straftäter mit einer privilegierten Position belohnt?

Ich kann nur sagen, unser Verhältnis ist exzellent. Ich bin weiterhin der Meinung, dass Straftäter nicht privilegiert werden dürfen. Die Auffassung teile ich, da bin ich mir sicher, auch mit Volker Wissing.

Offenbar ja nicht. Würden Sie die Klimaaktivisten treffen?

Nein, als Justizminister muss ich innerhalb der Regierung ganz besonders darauf achten, dass Recht und Gesetz das nötige Gewicht behalten. Die Leute, die im Gefängnis in Tegel wegen anderer Delikte einsitzen, bekommen ja auch nicht schneller einen Gesprächstermin bei mir als gesetzestreue Bürger. Die Klimaaktivisten haben ja viele verkehrspolitische Anliegen, ein Tempolimit zum Beispiel. Da liegt es auch sachlich schon näher, mit dem Verkehrsminister zu reden.

Der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum hat mal einen RAF-Terroristen getroffen. War das auch falsch?

Das war eine andere Zeit. Zudem vergleiche ich die Klimakleber auch nicht mit der RAF. Es kommt immer darauf an, worin man seine Aufgabe erkennt: Wäre mein Ziel, möglichst viele Fernsehbilder zu produzieren, wäre ein Treffen mit der Letzten Generation auf einer Berliner Autobahn neben dem Klebetopf sicher aufsehenerregend. Der Bundesminister der Justiz ist aber nicht . . .

. . . Verkehrsminister?

. . . ein PR-Minister.

Den Klimaaktivisten gehen die demokratischen Prozesse viel zu langsam. Sie sagen: Uns droht der Weltuntergang.

Wenn ein Teil der Gesellschaft seine Ziele so verabsolutiert, dass sie alles andere überstrahlen und nichts sonst Bedeutung haben soll, ist das natürlich ein Problem. Das verführt zu autoritärem Denken. Man ist dann nicht mehr bereit, mit Andersdenkenden auf Augenhöhe zu diskutieren. Solche Leute legen die Axt an die Wurzel unserer liberalen Gesellschaft. Es gibt prominente Klimaschützer, die an der Demokratie zweifeln. Das darf sich nicht durchsetzen - und ich glaube, es wird sich nicht durchsetzen. China wurde zeitweise für seine Bemühungen um den Klimaschutz gelobt, weil man klimapolitisch quasi durchregieren konnte. Jetzt werden dort massenhaft Kohlekraftwerke gebaut. Plötzlich ist das Lob verstummt. Der Autoritarismus kann sehr schnell seine Richtung ändern, er ist auf keinen Fall die Lösung, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Man kann auch die Kritik an den Klimaklebern zu absolut setzen. Sie haben neulich gewarnt, dass sich die Straßenschlachten der 1920er-Jahre nicht wiederholen dürfen. Wie soll man das verstehen, wenn nicht als Vergleich der Klimakleber mit dem Untergang der Demokratie in der Weimarer Republik?

Es wurde sogar gesagt: Buschmann vergleicht Klimakleber mit Nazis! Dieser Unsinn hat jedoch nichts mit dem zu tun, was ich wirklich gesagt habe. Mein Gedanke war: Wenn wir einem Teil des politischen Spektrums erlauben, sich über Recht und Gesetz zu erheben, werden das andere Teile des Spektrums auch tun. Das kann sich aufschaukeln. Deshalb müssen wir frühzeitig diese Spirale unterbrechen.

Sie meinen, Rechtsextreme lassen sich von Klimaklebern inspirieren?

Die Extremismusforschung belegt, dass Rechtsextreme Aktionsformen der linken Seite häufig kopieren. Die Gefahr besteht also. Deshalb müssen wir früh klarmachen, dass Recht und Gesetz für alle gelten.