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DokumenttypDocTypeInterviewUndNamensartikel | Datum09. Januar 2022„Der Bundestag sollte schnell über die Impfpflicht entscheiden“

Justizminister Marco Buschmann im Interview mit der Bild am Sonntag

Interviewer Angelika Hellemann, Burkhard Uhlenbroich, Volker Weinl, Roman Eichinger
Medium Bild am Sonntag
Ausgabe Dr. Marco Buschmann im Interviw mit der FAZ AusgabeNrVom

BILD am SONNTAG: Herr Buschmann, für die FDP ist Freiheit das höchste Gut. Passt dazu eine Impfpflicht für alle?

MARCO BUSCHMANN: Das werden wir in den nächsten Wochen diskutieren. Deutschland muss jedenfalls wieder lernen, auch kontroverse Debatten wie diese mit Anstand und Respekt vor anderen Meinungen zu führen.

Die Debatte im Bundestag über die Impfpflicht wurde verschoben. Die erste Panne für die Ampel?

Das sehe ich nicht so. Gesetzgebungsverfahren dauern in der Regel sechs bis zwölf Monate. Bei der Entscheidung über eine Impfpflicht wird es deutlich schneller gehen. Niemand muss sich Sorgen machen, dass hier getrödelt wird.

Kanzler Scholz will bis März eine allgemeine Impfpflicht durchsetzen. Ist das zu schaffen?

Das ist Sache des Parlaments. Ich finde: Der Bundestag sollte schnell entscheiden, ob eine Impfpflicht eingeführt wird. Und wenn ja, für wen. Die Abgeordneten müssen sich aber auch die Zeit für eine sorgfältige Abwägung dieser schwierigen Frage nehmen.

Die FDP-Spitze war erst gegen eine Impfpflicht, dann dafür, ist jetzt unentschieden. Ist die FDP eine Umfaller-Partei?

Nein, überhaupt nicht. Wir sind eine Kraft der Vernunft und Verhältnismäßigkeit. Wenn man neue Erkenntnisse gewinnt, muss man seine Position überdenken. Bei der schwierigen Frage der Impfpflicht gibt es gute Argumente dafür und dagegen. Wer sich da im Schützengraben verschanzt, verhält sich dogmatisch. Das ist das Gegenteil von liberal.

FDP-Vize Kubicki ist klar gegen die Impfpflicht, FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann will eine Impfpflicht für alle Bürger ab 50 Jahren wie in Italien. Was wollen Sie?

Ich möchte, dass alle medizinischen Fakten sowie alle verfassungsrechtlichen und ethischen Argumente in die Entscheidung einfließen. Wenn dann die konkreten Anträge zur Abstimmung vorliegen, wird sich auch der Abgeordnete Buschmann klar entscheiden.

Was sagt der Justizminister Buschmann: Würde eine Impfpflicht sofort von den Gerichten wieder kassiert werden?

Immer mehr Juristen sagen, dass man eine Impfpflicht gut begründen kann, wenn sie hilft, einen drohenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern und dafür auch andere Schutzmaßnahmen, die tief in die Freiheit eingreifen, entfallen können.

Braucht es für eine Impfpflicht auch ein Impfregister?

Das würde viel zu lange dauern. Um ein nationales Impfregister einzuführen, braucht es vermutlich Jahre. Selbst beim Implantateregister dauert es mindestens drei Jahre, bis es starten kann. So viel Zeit haben wir in der Pandemie nicht.

Aber geht das juristisch: eine Impfpflicht ohne Impfregister?

Ja. Man trägt ja auch nicht in ein Register ein, wo Sie Ihr Auto parken. Aber durch Kontrollen kann festgestellt werden, ob Sie falsch geparkt haben. Und wenn Sie erwischt werden, gibt es ein Bußgeld. Ähnlich läuft das auch mit der 3-G-Pflicht im öffentlichen Nahverkehr. Wenn der Gesetzgeber das so beschließt, würde das auch so umgesetzt werden können. Dann kann es auch schnell gehen mit der Impfpflicht.

Wie schnell?

Das hängt zunächst am Parlament. Klar ist: Jeder muss noch die Chance haben, sich impfen zu lassen. Ich rechne daher mit wenigen Monaten, die zwischen Inkrafttreten des Gesetzes und der Geltung der Impfpflicht für die Bürger liegen würden.

Wie oft müssten wir uns dann impfen lassen?

Das müssen Mediziner beurteilen. Aber wenn wir Menschen zur Impfung verpflichten wollen, müssen wir die Verhältnismäßigkeit beachten. Wenn mehrere Impfungen nötig sind, müssen wir das also bei der Begründung eines "ob" der Impfpflicht berücksichtigen.

Der Bund-Länder-Gipfel hat 2-G-plus in Restaurants beschlossen. Da drohen Klagen der Gastwirte. Halten Sie die Regel für juristisch sauber?

Ich kann die Sorgen der Gastronomen gut verstehen, denn es bedeutet mehr Kontrollaufwand und wahrscheinlich auch schlechtere Umsätze. Aber: Die Alternative wäre die vollständige Schließung der Gastronomie gewesen. Gegen die Delta-Variante reichte 2-G als Schutz, in der Omikron-Welle brauchen wir 2-G-plus, also zusätzlich Booster oder Test. Die CDU kritisiert die Corona-Politik der Ampel als nicht entschlossen genug. Ich sehe bei der Union große Uneinigkeit, was die Bewertung der Lage angeht. Einige dort leiten aus dem Papier des Corona-Expertenrates ab, dass man die epidemische Lage wieder ausrufen müsse. Das bedeutet potenziell Schließung von Schulen, Gastronomie und Einzelhandel. Das halte ich nach allem, was wir heute wissen, für falsch. Andere in der Union kritisieren das Expertenpapier, weil sich angeblich keine Schlussfolgerungen ziehen lassen. Auch das halte ich für falsch. Das CDU-regierte Sachsen-Anhalt und das CSU-regierte Bayern wiederum wollen nicht einmal die Beschlüsse der MPK voll mittragen. Ich bin gespannt, wann die Union weiß, was sie möchte.

Gilt das "Kein-Lockdown-Versprechen" der FDP noch?

Wir haben die Deltawelle ohne Lockdown gebrochen und das ist auch bei Omikron unser Ziel. Aber in einer dynamischen Lage ist es nicht klug, etwas für immer auszuschließen.

Der Corona-Protest eskaliert. Beim Messenger-Dienst Telegram werden Morddrohungen gegen Politiker, Ärzte oder Wissenschaftler gepostet. Gibt es dort einen rechtsfreien Raum?

Viele Äußerungen und Drohungen erfüllen Straftatbestände. Und gegen diese Personen sollte mit Onlinestreifen der Polizei und hohem Fahndungsdruck ermittelt werden. Aber bei Telegram gibt es offenbar keine Verantwortlichen, gegen die man ermitteln könnte. Auch für Telegram gelten unsere Gesetze. Danach muss Telegram einen Ansprechpartner in Deutschland benennen und einen leicht erkennbaren Meldeweg für strafbare Inhalte einrichten. Da diese Pflichten verletzt werden, haben wir mehrere Bußgeldverfahren eingeleitet. Dazu sind wir ständig mit den Vereinigten Arabischen Emiraten im Austausch, wo Telegram seinen Firmensitz hat. Sollte der nächste Zustellungsversuch scheitern, ist der nächste Schritt eine öffentliche Zustellung. Danach können wir dann ein Bußgeld verhängen. Unsere Gesetze sehen Bußgelder in Millionenhöhe vor.